Nacht des Grauens in Ameneiro
Es ist nun 23.55 Uhr und die Welt wird immer verrückter. Gegen 19.30 Uhr beschlossen Anouk, Lukas und ich noch für ein Abendessen in eines der nächsten Restaurants vor die Tür zu treten. Da alle echten Restaurants geschlossen hatten, wichen wir auf eine kleine Bar aus, in der wir noch einen Hamburger bekamen.
Wir hatten einen wirklich schönen Abend mit guten Gesprächen, trafen dabei völlig zufällig auf einen Spanier, der lange Zeit in Westfalen gelebt hatte und daher perfektes Deutsch sprach und als wir wieder unsere Herberge erreichten, kam zunächst ein Spanier, der kein Wort Englisch sprach und uns in einer Tour Fragen stellte mit uns sprach, bzw. sprechen wollte und obwohl niemand ein Wort verstand, hörte er keinesfalls damit auf. Dank der Dolmetscher-Apps auf unseren Telefonen konnten wir einige Fragen klären und damit auch Jesus (so war sein Name) zufriedenstellen.
Vor mindestens einer Stunde, es muss bereits 22.30 Uhr gewesen sein, kam dann plötzlich noch ein Pilger, den ich kaum beschreiben kann, aber ich gebe mein Bestes. In dem Moment kam Josh in unserer Herberge an, ein 39 Jahre alter Ex-Marine-Soldat mit einem Kampfgewicht von gut und gerne 120 Kilogramm. Er war, wie er selbst erzählte, betrunken, was seiner Stimme deutlich anzumerken war, und berichtete, dass er heute eine slowakische Traumfrau auf dem Camino traf, mit der er für 6 oder 7 Stunden sprach und deshalb erst so spät ankam.
Wir sprachen kurz über Krieg, über die Folgen und alles, was damit zusammenhängt, wobei jedes zweite Wort von Josh mit F* begann. Bereits zu diesem Zeitpunkt konnte man mit gesundem Menschenverstand erkennen, dass dieser Mann offensichtlich einige Traumata erlebt haben musste und in diesem Zustand, alles andere als ein willkommener Zimmergenosse sein würde.
Bevor er plante ins Bett zu gehen, leider ohne eine Dusche, die er aus der Wahrnehmung unserer Nasen dringend gebraucht hätte, zog er es vor, einige tiefe Züge seiner - nennen wir sie bewusstseinsveränderte - E-Zigarette zu nehmen, welche er seiner Erzählung nach in einem entsprechenden Shop in Porto käuflich erworben hatte, um danach ins Bett zu steigen.
Zu meinem Leidwesen liegt dieser 120 Kilo schwere Mann gerade genau über mir, ist zugedröhnt wie nichts Gutes, singt, oder eher nuschelt, spontan zur Getto-Musik seines Handys, klatscht dabei wie aus dem Nichts in die Hände und lacht plötzlich, wälzt sich dann wieder im Bett, wie wenn Sadam persönlich hinter ihm her wäre, um dabei "Oh my god" zu lallen.
Ich betrachte diese Nacht als meine finale Prüfung, denn es stinkt zum Himmel nach käsigen Füßen und die Musik über mir wird wohl die ganze Nacht laufen, gerade erkenne ich "Gangsters Paradise". Was für ein Tag.