Camino de Portugues, Teil 9 nach A Portela

Camino de Portugues, Teil 9 nach A Portela

Es ist bereits 16.25 Uhr und ich liege gerade, frisch geduscht, im unteren Bett in der einzigen öffentlichen Herberge auf den nächsten 10 Kilometern, die sich gerade gut mit ankommenden Pilgern füllt und in wenigen Minuten voll besetzt sein wird. Die erste Unterkunft ohne eine vorherige Buchung oder Reservierung.

Der heutige Tag begann um 6.45 Uhr, nach einer sehr guten und erholsamen Nacht, war ich um 7.30 Uhr marsch-bereit. Ich vermute, dass mir kaum ein Leser das mir zuteilwerdende, schier nie endende Glück abkaufen wird, aber auch auf der heutigen Etappe erlebte ich einfach unglaubliche Wettersituationen. Während ich um etwa 7.15 Uhr meine Füße, wie jeden Morgen, mit Hirschtalg behandelte, begann es erneut in Strömen zu regnen. Ich packte also meinen Poncho aus, um nach einer viertel Stunde, beim Verlassen der Herberge festzustellen, dass ich eben diesen nicht mehr benötige, da mit meinem ersten Schritt vor die Tür, auch der Regen plötzlich und abrupt stoppte.

Lukas, der in einer anderen Herberge genächtigt hatte, war pünktlich am vereinbarten Treffpunkt und wir starteten gemeinsam in den Tag. Der Weg von Arcade nach Pontevedra führte zunächst bergan, aber durch, nach dem Regen herrlich duftende, tropfnasse und noch dunkle Wälder, über manch große Felsbrocken und abermals feinen Schotter. Viele mystischen Abschnitte mit einer Stimmung, die sich nur schwer beschreiben lässt, begegneten uns nahezu hinter jeder zweiten Kurve.

Nach 7 Kilometern konnten wir endlich unser Frühstück bei strahlendem Sonnenschein genießen, einen Americano und ein Sandwich mit dem für Spanien bekannten schmackhaften Serrano-Schinken. Frisch gestärkt wanderten wir auf einem Weg, der sich, begleitet von einem kleinen, aber klaren Bach, in endlosen Kurven schlängelte und von Bäumen gesäumt wurde, deren Stämme fast vollständig mit Efeu und Mos bewachsen waren.

In Pontevedra waren wir nach den Pflichtbesuchen der sehr alten, aber zutiefst beeindruckenden Kirchen (bei einer öffneten sich die Türen nach einer Messe genau bei unserer Ankunft) bestrebt, ein Pilger-Menü zu ergattern, allerdings öffneten die Bars und Restaurants erst ab 12.30 Uhr. Also setzten wir uns für ein Bier in ein Cafe am Marktplatz, als es wiederum wie aus Kannen zu gießen begann. Nach 15 Minuten war der Spuk vorbei und wir setzten unseren Weg in strahlendem Sonnenschein fort.

Mein Pilgerpass bietet nunmehr lediglich Platz für vielleicht 20 Stempel, der Rest der beidseitigen, faltbaren Flächen ist nun vollständig belegt.

Von Pontevedra ging es nach Alba und von dort über San Amaro schließlich zum Zielpunkt A Portela. Allerdings war der Weg nach Alba erneut, verglichen mit dem des heutigen Morgens, zwar ähnlich aber dennoch nicht gleich, jedoch ebenso von unbeschreiblicher Magie, Ruhe und zauberhafter Schönheit, so dass ich inzwischen nach Worten ringen muss, um der Wirkung des Weges mit meiner Beschreibung annähernd gerecht zu werden. Ich hoffe daher, dass meine vielen Bilder einen kleinen, wenn auch niemals wahrhaftigen Eindruck vermitteln können.

In San Amaro hatten wir dann endlich, nach inzwischen 25 Kilometern, ein verdientes Mittagsmahl, nun zu bereits fortgeschrittener Zeit. Hier trafen wir Petra aus München, die uns mit ihrem ununterbrochenen und nicht enden wollenden Erzählungen schnell ermüdete und uns die letzten 1,9 Kilometer in Angriff nehmen ließ.

Und hier schlafen wir heute, in einer kleinen, sehr einfachen und in die Jahre gekommenen Albergue mit 8 Doppelstockbetten, von Bruno aus Spanien mit seinem Hund betreut. Direkt nach unserer Ankunft regnete es natürlich erneut (und nicht zu knapp), es stellt sich langsam die Frage, wie lange dieses Glück noch anhält.

Heute Abend wird zusammen gegessen, ein bunter Strauß Pilger aus Rom, Brasilien, Spanien, Tschechien und eben Deutschland. Ich bin gespannt.

Streckendetails

Meine Uhr vermeldet 35.700 Schritte bei 27,9 Kilometern und wieder einigen Höhenmetern, 470 hinauf und 400 hinab. Ich bin überrascht und sehr froh, wie gut mein Körper diese Strapazen wegsteckt.

Camino de Portuges, Teil 9 | Wanderung | Komoot
Bent Schrader hat ein Outdoor-Abenteuer mit komoot gemacht! Distanz: 26,9 km | Dauer: 08:00 Std

Erkenntnisse des Tages

Ich habe bisher selten Wälder mit einer solchen Wirkung auf mich erlebt, uralte Eichen und ihren bis in die Kronen mit Moos bewachsenen Stämmen, so dicht und still am Rand des Weges stehend, zusammen mit inzwischen grün bewachsenen Felsmauern, die sicher unzählige Geschichten über vorüberziehende Pilger berichten könnten. Eine pure Magie und sanfte Energie, derer man sich nur schwer entziehen kann, fühlt man sich doch in irgendeiner Form um Jahrhunderte zurückversetzt.

Die Euphorie auf Santiago de Compostella steigt mit jedem Tag, mit jedem Kilometer, die durch die sehr genauen Angaben auf den Markierungssteinen immerzu sichtbar und so präsent sind. Das Gefühl, dem Ziel nun fast schon greifbar, immer näher zu kommen, besteht aus einer freudigen Anspannung und gleichzeitig einer behutsamen Vorsicht, nicht zu schnell zu werden, um den Weg, die Menschen und die Erlebnisse noch möglichst lange und intensiv genießen zu können.

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Ab hier noch 56 Kilometer.